„Eine Kultur des Friedens braucht Strukturen wie die Stiftung.“

Ein Gespräch mit der Friedensforscherin Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach

aus MAGAZIN forumZFD 4/2018

Die Mitgründerin der Stiftung Forum Ziviler Friedensdienst, Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach, Jahrgang 1948, ist Politologin und Professorin für Europastudien. Die Schwerpunkte ihres Forschens und Lehrens sind umfangreich: Europäische Politik, vor allem bezogen auf Ost- und Nord-Ost-Europa, internationale Organisationen, das Verhältnis von EU und Russland, Menschenrechtspolitik, Minderheitenkonflikte, Friedens- und Konfliktforschung.

Ich treffe Hanne-Margret Birckenbach Mitte September bei hochsommerlichen Temperaturen im Foyer des Museum Ludwig, in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom. Ihre berufliche Laufbahn mit vielen  Lehraufträgen beeindruckt ebenso wie das, was sie neben der Lehrtätigkeit noch alles gemacht hat. Nach dem Studium in Frankfurt und der Promotion in Berlin gehörte ein Abstecher als Mitarbeiterin in der Grünen-Fraktion in Bonn  und ihr Mitwirken als Gutachterin in einem Prozess gegen einen jungen Mann, der Soldaten als potentielle Mörder bezeichnet hatte, zu ihren beruflichen Stationen. Der junge Mann wurde freigesprochen. Auch eine Ausbildung zur Mediatorin hat sie durchlaufen. Seit einigen Jahren macht die vielfältig engagierte Friedensforscherin mit dem Konzept der Friedenslogik als konstruktiver Alternative zu einer vorherrschenden Sicherheitslogik auf sich aufmerksam.

Promoviert hat Hanne  Birckenbach vor fast 35 Jahren über das Thema „Wehrdienstbereitschaft von Jugendlichen“. Das war 1984. Bereits 1971 hatte sie als Studentin gemeinsam mit ihrem Studienfreund und späteren  Mann, Christian Wellmann, der 2013 plötzlich starb, die Zeitschrift „antimilitarismus-information“ (ami) gegründet und dann mit vielen anderen studentischen Redaktionsmitgliedern herausgegeben. Dieser Informationsdienst, der 33 Jahre erschien,  fasste monatlich zusammen, was man aus öffentlichen Quellen über die Militär- und Rüstungsentwicklung sowie über Kriegsdienstverweigerung und Friedensbewegung wissen konnte und veröffentlichte wissenschaftliche Beiträge und Rezensionen aus den Themenbereichen der in den 1970er Jahren ebenfalls erst entstehenden Friedens- und Konfliktforschung. .

Hanne Birckenbach ist nach Köln gekommen, um am Folgetag an einem Workshop des forumZFD zum Thema „Wie retten wir das Friedensprojekt Europa?“ teilzunehmen. Hintergrund unseres Gespräches: Ich möchte gerne mehr darüber erfahren, warum sie Ende 2014 zusammen mit elf weiteren Personen die Stiftung Forum Ziviler Friedensdienst ins Leben gerufen hat. Bereits einige Jahre zuvor hatte sie wie über 50 weitere Personen gemeinsam mit ihrem Mann Christian Wellmann das forumZFD über ein zinsloses Darlehen dabei unterstützt, das Gebäude der Geschäftsstelle in Köln-Ehrenfeld, das „Friedenshaus Am Kölner Brett“, erwerben zu können. Das damalige Darlehen widmete sie als Anteil in das Gründungskapital der Stiftung um. „Seither verfolge ich über das MAGAZIN des forumZFD regelmäßig, wie sich die Stiftung offenbar sehr positiv entwickelt hat. Auch wenn ich im letzten MAGAZIN gelesen habe, dass das Stiftungskapital auf über 350.000 Euro angewachsen ist, muss es ein Ziel bleiben, weiteres Stiftungskapital zu gewinnen. Nur dann ermöglichen die jährlichen Erträge einen wirklich Betrag, mit dem die Friedensarbeit des forumZFD substantiell unterstützt werden kann.“ In den ersten vier Jahren seit Gründung der Stiftung lag die jährliche Förderersumme für die Friedensarbeit des forumZFD durch die Stiftung im Durchschnitt bei 5.000 Euro.

Hanne-Margrit Birckenbach

„An der Arbeit des forumZFD und der Stiftung gefällt mir, dass sich die Organisationen in Zeiten wie heute nicht scheuen, für pazifistische Positionen einzutreten und sich für gewaltfreie Konzepte zu Erreichung von Frieden stark machen.“

Prof. Dr. Hanne-Margrit Birckenbach

Auf die Frage, ob sie sich als Pazifistin verstehe, ist die Antwort eindeutig. In Anlehnung an den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant begründet sie mit der Goldenen Regel der praktischen Ethik „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge keinem anderen zu“, warum sie jegliche Gewalt ablehnt. So ist sie fest davon überzeugt, dass auch revolutionäre Gewalt, die sich aus vermeintlich ehrenwerten moralischen oder ethischen Beweggründen gegen Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeit wendet, letztlich immer nur wieder Gewalt hervorbringt, weil die Tiefenstrukturen als Ursachen für gewalttätiges Handeln nicht angegangen werden. In der Geschichte habe es dafür unzählige Beispiele gegeben. Gegenbeispiele sind rar. Diese pazifistische Grundhaltung ist auch der Grund dafür, warum sie als Wissenschaftlerin ihren Schwerpunkt auf die Frage gerichtet hat, unter welchen Bedingungen Frieden möglich ist und was man über die Logik der Friedensstiftung wissen kann. „An der Arbeit des forumZFD und der Stiftung gefällt mir, dass sich die Organisationen in Zeiten wie heute nicht scheuen, für pazifistische Positionen einzutreten und sich für gewaltfreie Konzepte zu Erreichung von Frieden stark machen.“ Im Gespräch macht sie außerdem deutlich, dass sie sich eine bessere Kooperation mit der Friedensforschung wünscht und es wichtig sei, dass in der Friedenspraxis von dem mittlerweile umfangreich vorhandenen Wissen der Friedensforschung viel mehr Gebrauch gemacht wird. Den Ansatz im forumZFD, eine Verbindung von Theorie und Praxis in der Friedensarbeit herzustellen, beurteilt sie positiv.

Zum Ende des Gesprächs formuliert sie einen Wunsch für die weitere Arbeit der Stiftung: „Es würde mir  gefallen, wenn die Stiftung noch sichtbarer machen könnte, welche Art von Friedensarbeit von ihr gefördert werden, die ohne die Stiftung nicht realisiert werden könnten, weil öffentliche Förderrichtlinien sich dagegen sperren oder der politische Wille (noch) fehlt, in Projekte zu investieren, die neue friedenspolitische Perspektiven eröffnen und Strukturen der Friedensarbeit festigen. Dadurch würde, so vermutet sie, die Attraktivität der Stiftung erhöht. Noch viel mehr Menschen könnten sich angesprochen fühlen, mit einer Zustiftung in alternative Friedenskonzepte zu investieren, die ja nicht nur Veränderungen in den Krisenländern, sondern auch in Deutschland und Europa voraussetzen. Der Stiftung wünscht sie weitere Unterstützerinnen und Unterstützer, damit dieses geschaffene Förderinstrument als ein nachhaltiger Baustein für eine Kultur des Friedens wirken kann.